Samstag, 21. Juli 2018

REM-Schlafmangel bzw. Pseudo - Narkolepsie

Mein sensibles Schimmelchen macht mir (mal wieder) Sorgen:
Am letzten Samstag habe ich etwas ganz Sonderbares beobachtet. Ich habe gerade die Wiese abgeäppelt. Maroun stand an der Heuraufe und hat gefressen. Beim Fressen ist dann sein Kopf langsam bis fast auf den Boden gesunken, sein ganzer Körper ist vor- und zurückgeschwankt - es sah so aus, wie ein Pferd bei einer Sedierung aussieht. Spontan schoss mir der Satz "Pferde fallen dabei nicht um, keine Sorge!" der Zahnärztin bei der letzten Behandlung mit Sedierung in den Kopf. Aber...Maroun war doch gar nicht sediert! Und die Zahnbehandlung fast ein Jahr her...
Mein Blick klebte also an Maroun, ich bin aber nicht hingegangen, sondern habe ganz still abgewartet, was nun weiter passiert. Nach kurzer Zeit - vielleicht 1 Minute - knickte Maroun ruckartig in allen 4 Beinen ein, konnte sich aber fangen, kurz bevor er den Boden berührt hat. Dann ist er ein paar Schritte vorwärts gegangen, sah aber leicht verwirrt aus, hat sich wieder zur Heuraufe umgedreht - und dann weitergefressen, als sei nichts gewesen.
Während ich noch überlegt habe, was das gerade war, ging es schon wieder los. Kopf sinkt nach unten, Pferd schwankt...und knickt ein... Wieder fängt sich Maroun kurz vor dem Bodenkontakt und geht irrietiert ein paar Schritte. Ich hole schnell mein Handy, bin total verunsichert und möchte Aufnahmen für den Tierarzt machen. Während ich das Handy suche und hektisch auf das Kamera-Symbol tippe, passiert es ein drittes Mal. Ich bin etwas zu spät dran, habe aber noch ein Bild machen können, auf dem das "Einknicken" noch zu erahnen ist... Er war noch viel tiefer Richtung Boden gesunken, auf dem Bild richtet er sich gerade wieder auf.
Was bitte ist das???

Tierarzt holen? Klinik?? - Ich gehe zu Maroun. Er wirkt normal, nur etwas müde. Maroun ist sowieso bestimmt sehr müde, ich habe seit er im Offenstall bei meiner Freundin steht noch NIE Liegeflecken an ihm gesehen. Und eigentlich sieht man es, wenn ein Schimmel länger gelegen hat...
Ist er vielleicht einfach nur übermüdet?
Ich rufe Tante Google auf und gebe "Übermüdung Pferd" ein.

Der erste Link war ein Cavallo-Link und zeigte ein Bild von einem Schimmel, der von der Haltung her aussieht wie Maroun auf meinem Handy-Bild - nur dass Maroun dabei auf der Wiese vor der Heuraufe steht:
https://www.cavallo.de/pferde-medizin/pferdemedizin-kopf-bis-huf/schlafstoerungen-bei-pferden-so-helfen-sie.1657476.233219.htm
Schnell lese ich mich durch den Artikel sowie noch durch ein paar weitere Links durch.
Ergebnis: Wenn Maroun seit ca. einem Jahr (vermutlich sogar seit 14 Monaten...) nicht mehr tief im Liegen schläft, sondern nur im Stehen, dann fehlt ihm die REM-Phase. Das ist die Phase, in der wir Menschen (und Tiere) träumen (Rapid Eye Movement). In dieser Phase sind die Muskeln sehr schlaff/entspannt - ein Pferd muss dafür also zwangsweise liegen, entweder flach auf der Seite oder im Liegen mit zumindest auf dem Boden aufgestützen Kopf.
Fehlt einem Pferd über längere Zeit diese Schlafphase, kann es passieren, dass es aus dem Stehen heraus in die REM-Phase buchstäblich fällt... Die Muskeln erschlaffen dann im Stand und das Pferd fängt sich entweder noch rechtzeitig (kommt schnell genug aus der Schlafphase raus) oder es bricht zusammen.
In dem Cavallo-Bericht wurden 39 Pferde untersucht, letztlich mussten 7 Pferde wegen der direkten Folgen der Pseudo-Narkolepsie eingeschläfert werden... Durch den Zusammenbruch kann es zu Verletzungen/ Frakturen am Kopf, am Schweif oder auch zu Verletzungen an den Beinen kommen. Häufig sind es zunächst die Stellen an den Vorderfußwurzel- bzw. auch Fesselgelenken, die den PferdebesitzerInnen als erstes auffallen...
Die Bezeichnung "Pseudo-Narkolepsie" weist darauf hin, dass die Symptome denen einer echten, neurologisch bedingten Narkolepsie ähneln - die Ursache aber eine andere (nämlich REM-Schlafmangel) ist. Noch ist das Gebiet anscheinend nich vollständig erforscht, es zeichnet sich aber ab, dass eine echte Narkolepsie bei Fohlen auftreten kann, während bei erwachsenen/ älteren Pferden, die dann anfangen zu kollabieren, als Ursache von einem Schlafmangel ausgegangen werden kann.

Dass ein Schlafmangel (fehlende Liegephase) bei Pferden so gravierende Folgen nach sich ziehen kann, war mir überhaupt nicht bewusst!
Dass Maroun müde ist, war mir natürlich klar - aber dass ein Pferd davon im Stehen zusammenklappen und sich dabei Frakturen zuziehen kann, wusste ich nicht. "Der ist einfach nur ein bisschen müde - na und?" - stimmt so einfach nicht. Es besteht dann akuter Handlungsbedarf!!

Sofort habe ich Maroun von Julie abgetrennt, einen Strohballen von zu Hause geholt (der eigentlich für die Kaninchen gedacht war) und ihm ein "Bett" draußen vor den Offenstall errichtet. "Sein" Offenstall ist nämlich zwar ca. 3.50m tief, aber nur etwas über 2m breit - darin legt er sich nicht hin. Nachdem das Strohbett fertig war, habe ich Maroun zum Liegen aufgefordert - und ihm dann Mash gefüttert.

Er hat sich danach sogar kurz flach abgelegt, aber nur für ein paar Sekunden. Dann ist er wieder aufgestanden.
Am nächsten Morgen (Sonntag) bin ich schon früh zu ihm gefahren - und habe mich gefreut: ENDLICH mal wieder Liegeflecken auf der Seite! Natürlich weiß ich nicht, wie lange Maroun in der Nacht auf seinem Strohbett gelegen hat - aber wenigstens hat er gelegen!
Wir haben am Sonntag Abend das Ritual wiederholt, Maroun für die Nacht abgetrennt und ihm Mash auf seinem Strohbett gefüttert, während er gelegen hat.
Da "mein" Tierarzt gerade im Urlaub ist, habe ich bei diversen anderen Tierärzten in der Umgebung angerufen - und letztlich einen Termin für den Dienstag Nachmittag abgemacht.
Die Tierärztin hat Marouns Herz abgehört und Blutproben von ihm mitgenommen - zum einen für ein Differenzialblutbild, zum anderen zum Ausschluss von Bornaviren. Die Ergebnisse werde ich nächste Woche erhalten.
Aller Wahrscheinlichkeit nach ist aber das eigentliche Problem von Maroun schlicht Schlafmangel, wir wollen nur die anderen Möglichkeiten sicher ausschließen können.
Mein Strohbett und das Abtrennen von Maroun bezeichnete die Tierärztin als "sehr sinnvolle therapeutische Maßnahme" - das hätte sie an meiner Stelle auch so gemacht. Das bleibt jetzt erst mal so...

Zum Thema REM-Schlafmangel/ Pseudo-Narkolepsie gibt es auch eine Doktorarbeit, die ich mir dann auch noch durchgelesen habe:
https://edoc.ub.uni-muenchen.de/20588/1/Fuchs_Christine.pdf

So, ich gehe jetzt ins Bett...bin nämlich mit Blick auf die Uhr selber auch müde...

PS: FORTSETZUNG FOLGT...

Update Sonntag, 22.07.:
Heute habe ich Maroun und Flash zusammen laufen lassen. Solange Maroun beschäftigt/ aktiv ist, wirkt er völlig normal. Am Abend habe ich ihm wieder Mash auf dem Strohbett gefüttert, während er gelegen hat. Nachdem er das Mash aufgegessen hat, ist er von jetzt auf gleich vom aufrechten Liegen ins flache Liegen umgefallen und war dann auch sofort in der REM-Phase - die Augen haben sich stark bewegt und er hat mit den Beinen gezuckt. Zum Glück wusste ich jetzt ja, was es ist - sonst hätte ich auf einen epileptischen Anfall o.ä. getippt... Nach ca. 30 Sekunden ist Maroun genauso schlagartig, wie er in die Traumphase gekippt ist, wieder aufgewacht, hat kurz aufrecht gelegen und ist dann aufgestanden, um Heu zu fressen.
Es ist schon ein bisschen gruselig...
Morgen müsste ich die Ergebnisse der Blutwerte bekommen. Ich werde weiter berichten...

Update Dienstag, 24.07.:
Alle Blutwerte von Maroun sind ok!! : ) Bornaviren hat er auch nicht. : )
Somit hat sich unser Verdacht, dass es sich bei Maroun schlicht um ein Schlafproblem handelt, quasi bestätigt...

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