Philippe Karl - Ecole de Légèreté - meine Gedanken dazu...

"Ziel der Schule der Légèreté ist eine vielseitig ausgebildetes Pferd, das jederzeit leicht an den Hilfen des Reiters steht." www.philippe-karl.com

Mit Philippe Karl (PK) und seiner Schule der Légèreté beschäftige ich mich seit 2010. Den Stein ins Rollen hat für mich die DVD "Klassisch contra Classique" gebracht: Die gezeigten Pferde - eines nach FN-Ausbildungskriterien (Skala der Ausbildung), das andere nach PKs Ansätzen (Légèreté) ausgebildet - waren extrem gegensätzlich und ich empfand es sofort als eindeutig, welches Pferd mehr Spaß am geritten-werden hat und welcher Reitstil für den Partner Pferd der geeignetere ist...
Also kaufte ich mir sämtliche Philippe-Karl-DVDs und besuchte 2 Kurse als Zuschauer in Fintel, um PK auch einmal (bzw. mehrfach) "live" zu sehen und seinen Unterricht verfolgen zu können. Natürlich habe ich dann auch sein Buch "Irrwege der modernen Dressur" erworben.
Zudem nahm ich - nach einer über 20-jährigen Reitunterrichtspause - mal wieder Reitunterricht, diesmal logischerweise bei einer PK-lizensierten Ausbilderin (bei der ich konsequenterweise auch nur gebisslos geritten bin, ich hatte extra vorab in einer Mail angefragt, ob sie mich auch so - ohne Gebiss - unterrichten würde und sie meinte, man könne es ja einfach mal probieren : )

Philippe Karl ist ein grandioser Reiter mit einem unglaublich beneidenswerten Sitz - einfach nur toll!
Seine Einstellung zum Thema Pferd und (s)einer pferdefreundlichen Ausbildungsmethode ist eindeutig und kompromisslos. Er ist u.a. auch ein Verfechter für das Reiten mit der Nase vor der Senkrechten und absolut gegen jede Form von Hilfszügeln.
Sehr beeindruckt hat mich seine Reaktion auf die LDR - statt - Rollkur - Diskussion, ich versuche einmal seine Worte in etwa wiederzugeben, als ihm mitgeteilt wurde, dass LDR für 10 Minuten weiterhin erlaubt ist:
"Eine Frau zu missbrauchen ist eine Straftat, da sind wir uns einig. Wenn man sie aber nur für 10 Minuten missbraucht, ist es dann Sport??? Denn ein Pferd so zu reiten, stellt definitiv einen Missbrauch des Pferdes dar..."

Mir geht es auch so, dass ich den eingerollten Pferden ihr Leid deutlich ansehe - wieso gibt es noch Menschen, die das nicht sehen (wollen)?? Zumal es inzwischen eindeutige Beweise für die dabei deutlich verengten Atemwege gibt - sowie viele weitere Indizien für die schädigende Wirkung einer solchen Reitweise auf die Gelenke/Knochen/Bänder - und nicht zuletzt auch auf die Psyche des Pferdes. Alleine das Wissen darüber, dass es sich bei einem Pferd um ein Fluchttier handelt, sollte doch ausreichen, um das Reiten hinter der Senkrechten - und somit mit eingeschränktem Blickfeld für das Pferd - als nicht pferdefreundlich zu verurteilen!

Natürlich kam ich zeitnah auch mit Gerd Heuschmann (GH) und "Stimmen der Pferde" sowie "Finger in der Wunde" in Berührung und fand es toll, dass PK und GH gemeinsam zum Wohle der Pferde antraten: Der eine mit theoretischen Informationen über die biomechanischen/anatomischen Zusammenhänge beim Reiten, der andere mit praktischen Beispielen.
Allerdings hielt diese Zweckgemeinschaft ja nicht lange...

Ich schätze an PK sehr seinen unermüdlichen Einsatz für das Pferd und gegen die Rollkur. Was ich nicht teile, ist u.a. seine Einstellung zum Gebiss und seine Vorliebe für Kandaren. Warum, habe ich ja schon auf der Seite "warum gebisslos?" erläutert. In PKs Buch sind mehrere Fotos enthalten, die m.M. nach zeigen, dass sich auch seine Pferde tw. mit Gebiss unwohl fühlen.
PK trainiert die Pferde dahingehend, auf Kommando abzukauen - die Mobilisation des Unterkiefers ist bei ihm ein zentrales Thema, um vorhandene (Ver-)Spannungen zu lösen. Mir als Gebisslosreiterin stellt sich allerdings immer wieder die Frage, inwieweit das Gebiss evtl. selber die Ursache für entstehende Verspannungen darstellt, die dann mittels Unterkiefermobilisation via Gebiss wieder gelöst werden sollen...beißt sich hier u. U. nicht die Katze selber in den Schwanz?

Keine Frage, auch bei meinem Pferd treten bei anstrengenden Lektionen Verspannungen auf - auch ohne Gebiss, die ich dann durch leichtere Lektionen im Anschluss und Dehnungshaltung wieder löse. Je besser und sicherer mein Arab die schweren Lektionen ausführen kann, desto weniger werden die Verspannungen bzw. irgendwann kann er sie locker ausführen. Denn natürlich müssen auch die entsprechenden Muskeln für die unterschiedlichen Lektionen erst einmal trainiert/entwickelt werden. Ein Beispiel ist bei mir die Passage, bei der sich mein Arab zu Beginn sehr fest gemacht und sich im Genick verworfen hat...inzwischen ist das (zumindest an "guten" Tagen...) kein Problem mehr!

Und noch etwas stört mich als Reiterin eines sowieso von Natur aus eher in Anti-Rollkur-Position laufenden Pferdes bei der von PK praktizierten Aktion-Reaktion-Methode mittels Handeinwirkung nach oben:
Das aktive Anheben des Kopfes beim Reiten verursacht bei einem sowieso schon "hirschig" laufenden Pferd auf jeden Fall im Moment des Ausführens einen Unterhals...samt sämtlicher Nebenwirkungen (Widerrist nach unten, Rücken weg...) Für solche Pferde finde ich diese Aktion daher wenig sinnig. Dass das Anheben der Hand und damit auch des Kopfes als Korrekturmaßnahme bei im Genick zu eng laufenden Pferden vorübergehend eingesetzt wird, kann ich natürlich voll nachvollziehen - denn dann macht es ja auch Sinn.

Fazit: Ich schätze PK sehr, auch wenn ich nicht in allem seiner Meinung bin. Nach wie vor werde ich versuchen, mich an PKs tollem Sitz zu orientieren und seine Hilfengebungen zu übernehmen. Besonders wichtig ist mir auch, das Augenmerk stets auf die Stirn-Nasen-Linie zu richten und darauf zu achten, sie vor der Senkrechten zu halten. Und das Genick am höchsten Punkt...

Nachtrag 2014 Hansepferd:
Philippe Karl war mit High Noon auf er diesjährigen Hansepferd, ich habe ihn am 26.4.2014 live gesehen (mit seinem Team) - und es war sooo toll! Ich war wirklich sehr beeindruckt. Alle Punkte, die PK wichtig sind und die er mit seiner EdL lehrt, konnte er durchgängig zeigen:
- Genick höchster Punkt
- Stirnlinie vor der Senkrechten
- Parallelität der Stütz - und Spielbeine (außer in den Kunstgangarten Spanischer Schritt und Passage)
- ein lose schwingender Rücken
- dezente Schenkelhilfen, ruhiges Bein
- feiner, leichter Kontakt zwischen Hand und Maul
- isgesamt ein mobiles, durchlässiges Pferd (und das, obwohl High Noon wirklich sehr aufgeregt war, Stillstehen ging gar nicht.)

Wie gebannt habe ich auf das Paar geschaut und die ganze Zeit über das Gefühl gehabt, dass sich sein Pferd hinten quasi "tiefer gelegt" bewegt, gepaart mit einer eleganten Langsamkeit in der Bewegungsausführung - ein bisschen wie ein Raubtier, unglaublich anmutig, fand ich!
Genau das Gegenteil der "auf den Kopf" gerittenen Pferde - dieses Pferd war definitiv vorne höher als hinten, und zwar nicht durch exaltierte Bewegungen der Vorhand, sondern aufgrund der gebeugten Hanken hinten.
WOW!

Nachtrag 2016 Hansepferd: 
Diesmal ist Philippe Karl auf der Hansepferd nicht selber geritten. Dafür sind aber seine lizensierten Ausbilderinnen auf ihren Pferden vor Ort gewesen - ihren Auftritt konnte man sich an den 3  Messetagen jeweils von 17.30 - 18.00 Uhr in der Showhalle B7 ansehen. Ich war am Samstag dort. Meine Hoffnung, wieder eine so tolle Vorführung wie vor 2 Jahren zu erleben, hat sich leider nicht ganz erfüllt. Ein paar Pferde waren toll bzw. entsprachen meinem Bild von gut gerittenen Pferden - es gab aber auch leider solche Pferde zu sehen, die wenig Werbung für die EdL machen konnten, weil sie zwar die Nase vor der Senkrechten hatten, aber sich dabei nicht über die Oberlinie des Halses getragen, sondern auf den Unterhals gestützt haben. Die Oberlinie wurde also nicht gelängt, sondern verkürzt, das Pferd hat den Kopf nicht in Richtung Gebiss nach vorne, sondern eher nach hinten-oben angehoben, dadurch war dann der Widerrist unten und der Rücken dann leider auch eher unten denn oben...Schade!
Wer wollte, konnte die positiven Aspekte der Schule von Philippe Karl sehen - wer eher die negativen Auswirkungen gesucht hat, konnte sie aber leider auch finden...denn von den Pferd-Reiter-Paaren gab es von beiden Seiten "Anschauungsobjekte".
Auch fehlten mir diesmal ein bisschen die "Highlights": Ich hätte gerne die Pferde auch in Piaffe, Passage und Pirouetten gesehen. Zwei Pferde konnten eine Piaffe zeigen. Die anderen anscheinend nicht - und kein Pferd hat eine Passage oder Pirouette präsentiert. Das fand ich schon etwas enttäuschend, wenn man bedenkt, dass die Reiterinnen alles selber von PK ausgebildete Reitlehrerinnen sind. Die Hansepferd wäre doch eine gute Gelegenheit dazu gewesen, die "Crème de la Crème" zu präsentieren - diese Chance wurde meiner Meinung nach nicht zur Genüge genutzt.

8 Kommentare:

  1. Hallo :)
    Ich habe mir soeben sämtliche Einträge von dir durchgelesen und ich bin total begeistert! Vor allem weil ich auch viele deiner Meinungen teile, wenn nicht so gar alle.
    Ich habe eine kleine Isländer Mix Stute. Sie hat leider Zysten in den Hinterbeinen weswegen ich sie nicht reiten.
    Es geht ihr aber wieder besser und wir fangen bald wieder leicht an (Stellung, Biegung- wenige Minuten)
    Wir haben jetzt mit der Gymnastizierung am Kippzaum angefangen, wo ich leider noch etwas unbeholfen bin und demnach nicht weiter komme, zu grob werde oder falsche Signale an mein Pferd gebe.
    Ich denke mir fehlen einfach aus noch die Grundkenntnisse- wie, wo und was einwirkt, etc.
    Hättest du vielleicht ein gutes Buch, DVD oder ähnliches als Tipp, wo noch einmal beim Uhrschleim angefangen wird?
    LG :)

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  2. Hallo Carolin,

    kennst du Babette Teschen/ Tania Konnerth bzw. deren HP www.wege-zum-pferd.de? - Für einen Start mit dem Kappzaum, korrekte Stellung & Biegung finde ich deren Longenkurs sehr hilfreich (kann man online kaufen - und man hat dann auch Zugriff auf die Mediathek/ Videos mit anschaulichen Beispielen.) Zudem haben sie auch sonst viele weitere Informationen rund um das Thema Pferd/Ausrüstung, Buchtipps etc. auf ihrer Seite - kann ich nur empfehlen! Sie bieten auch einen eigenen Kappzaum an, der zwar toll, aber auch sehr teuer ist.

    LG Debbie

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  3. Danke! Das klingt ja schon mal interessant, da schau ich auf jeden fall mal nach ;)

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  4. Hallo, für meine Facharbeit bin ich momentan auf der Suche nach Literatur und bin auf diesen Beitrag gestoßen. Könnten Sie mir sagen aus welcher Quelle der wiedergegebene Satz "Eine Frau zu missbrauchen ist eine Straftat, da sind wir uns einig. Wenn man sie aber nur für 10 Minuten missbraucht, ist es dann Sport??? Denn ein Pferd so zu reiten, stellt definitiv einen Missbrauch des Pferdes dar..." stammt?

    LG Nora

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    1. Hallo Nora,
      Philippe Karl äußert sich mit diesem Zitat in diesem Video - ab 0:18 - 0:40:
      https://www.youtube.com/watch?v=BMMMtCq5cCA
      LG Debora

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    2. Dankeschön für die schnelle Antwort :)

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  5. Liebe Debbie,
    ich komme gerade von einem Ausritt mit meinem 6 1/2 jährigen, hochsensiblen, feinen, aber eben auch Hirschhals-affinen und Rücken-wegdrückenden Hispanoaraber und schwelge in Deinem Blog. In vielem sprichst Du mir sehr aus dem Herzen und zum ersten Mal lese ich, dass auch jemand anders das - an sich gute - aktive Anheben des Kopfes bei einem hirschig laufenden Pferd kritisch sieht. Daher frage ich Dich einfach mal um Rat bzw. Deine Meinung. Zum Hintergrund: Unser Kleiner ist erst seit 6 Monaten bei uns und nach einem wirklich schwierigen Start (inkl. heftigem Sturz direkt am Anfang) arbeiten wir mithilfe von Bodenarbeit, Überdenken alter Lehrmeinungen & Trainingsmethoden etc. mittlerweile an einem guten Fundament und einem vertrauensvollen Miteinander. Er reagiert sehr fein, arbeitet motiviert mit und an guten Tagen reicht es, an Halt zu denken, damit er sofort steht. Andererseits heizt er sich schon im Trab, noch mehr im Galopp noch oft auf - an mehr Gelassenheit & Ruhe arbeiten wir gerade und haben ihn versuchsweise auf gebisslos umgestellt, was besser zu funktionieren scheint als mit Gebiss. Out of the blue bzw. im Gelände kann er aber von jetzt auf gleich den Schalter umlegen und losstürmen (Schreck, Insekten, o.ä.) und ist dann nur schwer bzw. für mich zeitlich einfach zu spät zurück zu bekommen, da jede Einwirkung / Parade dann komplett ignoriert wird. Jetzt ist mir eben beim Ausritt für solche Situationen besagtes Kopf anheben (Hand hoch) empfohlen worden. Wäre das in solchen Situation tatsächlich eine Lösung (zzgl. all der anderen Hilfen wie Sitz etc., klar!) oder hast Du einen anderen Tipp? Ich danke Dir!
    Christina

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  6. Hallo Christina,
    beim Ausritt handhabe ich es so, dass ich abwende bzw. den Hals meines Pferdes biege, wenn mir mein Pferd zu schnell wird - im Rechtsgalopp nach rechts und im Linksgalopp nach links. Beidseitiges Annehmen der Zügel bewirkt gerade gebisslos nicht viel, außer dass das Pferd lernen kann, dass es sich problemlos dagegen lehnen kann (zumindest bei meinen Zäumungen). Daher verwende ich dann nur einen Zügel zum Biegen. Das klappt gut! Den Kopf hebe ich bei meinem Araber nur an, wenn er - was auch mal vorkommt - im Gelände im Trab eine sehr tiefe Dehnungshaltung annimmt, ich ihm daraufhin die Zügel ganz lang lasse und er dann angaloppiert. Ich nenne es "heimlich angaloppieren", er versucht es nämlich ganz unauffällig mit einem zunächst ganz langsamen Galopp. Dann muss ich immer grinsen... Das Biegen und Halten lässt sich gut auf dem Platz üben. Zudem haben beide Pferde fürs Halten ein Stimmkommando, auf dass sie in der Regel sofort reagieren. Aber das hast du bestimmt auch.
    Viele Grüße und noch viel Spaß und Erfolg mit deinem Araber!
    Debbie

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